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HondaCruiser

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Samstag, 18. Oktober 2008, 23:25

Interview mit dem Honda-Chef

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/p…?em_cnt=1611601

"Die guten Zeiten sind vorbei"


Honda-Chef Takeo Fukui über die Talfahrt des Automarkts, sein neues Hybrid-Fahrzeug und warum er lieber im Großraumbüro statt allein hinter verschlossener Tür an einer Zukunft mit Robotern arbeitet.


Herr Fukui, was haben eine Sojabohne, ein Formel-1- Rennauto, eine Solarplatte und ein Roboter gemeinsam?

Die Sojabohnen haben nicht direkt etwas mit Honda zu tun. Damit beschäftigt sich eine eigenständige Logistikgesellschaft von uns: Die Honda Trading Company. Sie versorgt unsere Werke in den USA mit Fertigungsteilen aus Japan. Damit die dafür benötigten Container auf dem Rückweg nicht leer übers Meer verschifft werden müssen, werden Sojabohnen in ihnen transportiert.

Bleibt die Frage, warum ein Autokonzern wie Honda neben Motorrädern auch Roboter, Solarzellen und Flugzeuge herstellt?

Vor zehn Jahren, am 50. Geburtstag unseres Unternehmens, haben wir uns zusammengesetzt und über die Zukunft nachgedacht. Am Ende haben wir uns auf eine Richtung geeinigt, in die sich das Unternehmen weiterentwickeln soll: nämlich zu einer Firma, die Bedürfnisse nach individueller Mobilität bedienen will. Alle unsere Produkte haben damit zu tun. Das gilt auch für den Business-Jet, den wir bauen. Der Honda Jet hat fünf Sitzplätze - an Massentransport sind wir nicht interessiert. Mit unserer Produktpalette sind wir zu Wasser, zu Lande, und in der Luft unterwegs. Und mit unserem Roboter Asimo gehen wir nun noch einen Schritt weiter, in eine vierte Dimension.

Was hat ein Roboter mit individueller Fortbewegung zu tun?

Asimo könnte in der Zukunft eine Art Alter Ego für Menschen werden, er könnte Dinge für Sie und mich erledigen. Wenn wir zu alt zum Gehen sind, könnte Asimo uns tragen oder schieben und so in gewisser Weise mobil halten.

Das gilt aber nicht für Solarzellen.

Doch. Als wir begannen, uns mit den verschiedenen Facetten von motorisierter Mobilität zu beschäftigen, stießen wir überall auf die selbe Barriere: Energie. Alle Formen motorisierter Bewegung hängen von fossiler Energie ab. Wir wollen dieses Problem lösen - und beschäftigen uns mit Biotreibstoff, Brennstoff und Solarzellen.

Daimler wollte auch mal ein Mobilitätskonzern mit Flugzeugen und Eisenbahnen sein. Heute verkauft das Unternehmen nur noch Autos, Busse und Lastwagen. Das ist keine Ausnahme: Weltweit gehen viele Unternehmen wieder verstärkt dazu über, sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren. Was wissen Sie, was andere nicht wissen?

Sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren, ist auch ein Weg, und wir würden nie sagen, dass es der falsche ist. Auch wir sind in gewisser Weise auf ein Kerngeschäft fokussiert, nur dass dieses etwas weiter gefasst ist. Wir sind der Meinung, dass es durchaus Nachteile mit sich bringt, wenn man sich nur auf ein Geschäftsfeld konzentriert. Kurzfristig sieht das zwar vielversprechend aus, langfristig gesehen aber nicht. Wir haben mit Motorrädern begonnen, etwas später kamen dann Automobile dazu. Unsere Erfahrung aus dem Motorradbau hat uns dabei sehr geholfen. Und wiederum etwas später konnten wir mit unseren Autos das Geschäft mit Motorrädern retten. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Auf lange Sicht gesehen mag es okay gewesen sein, sich nur auf Automobile zu konzentrieren. Das war die vergangenen zehn Jahre richtig so, als Autos noch ein blühendes Geschäft garantierten. Das gilt aber nicht mehr für die kommenden zehn Jahre. Die guten Zeiten sind vorbei, die Rahmenbedingungen für den Verkauf von Autos haben sich etwa durch die gestiegenen Spritpreise verschlechtert. Deswegen ist es gut, dass wir vielleicht schon in zehn Jahren einen Teil unseres Gewinns mit Flugzeugen und in noch einmal 20 Jahren mit Robotern wie Asimo machen werden.

Es heißt, Sie würden Ihren Ingenieuren nie direkte Anweisungen geben. Das ist schon ungewöhnlich für jemanden, der an der Spitze eines Unternehmens mit 180 000 Beschäftigten steht.

Ich kümmere mich um die grundlegende Strategie von Honda. Deswegen sage ich beispielsweise unseren Mitarbeitern, dass sie bei umweltfreundlichen Technologien nie hinter die Konkurrenz zurückfallen dürfen und keine Autos mit zu hohem Treibstoffverbrauch entwickeln sollen. Aber ich nehme keinen direkten Einfluss, indem ich bestimme, wie ein Auto aussehen soll.

Manche Ihrer Kollegen bestimmten beim Design selbst die kleinsten Details. Warum halten Sie sich da zurück? Sie sind es doch, der letzten Endes die Freigabe für jedes Auto erteilt.

Auch bei Honda gibt es natürlich die Regelung, dass der Präsident für das Design eines Autos das entscheidende "Go" gibt. Ich versuche trotzdem, mich zurückzuhalten, weil es in den verschiedenen Bereichen teils einfach bessere Experten als mich gibt. Ich versuche also nicht zu sagen, dass ein Auto ein bisschen so oder ein bisschen so designt werden soll. Ich bin mal zum Design eines Autos befragt worden, nachdem ich gerade erst Präsident geworden war. Ich sagte daraufhin: "Ich weiß nicht, ob das hier ein gutes Design ist. Aber ich weiß, dass unsere beiden Marken Honda und Acura unterschiedlich aussehen müssen, damit sie eine eigene Persönlichkeit haben." Hier sehe ich oft ein Defizit bei japanischen Autos: Sie haben viel zu oft keine eigenständige Identität.

In Deutschland lassen sich manche Autos bestimmten Konzernchefs klar zuordnen - wie die VW-Limousine Phaeton Ferdinand Piëch, oder der Multipla dem ehemaligen Fiat-Chef Paolo Cantarella. Gibt es bei Honda ein Fukui-Auto?

Das könnte auf die Autos, die jetzt herauskommen, ein bisschen zutreffen. Bei unserem neuen Wagen mit Hybridantrieb, dem Insight, war ich beispielsweise sehr stark involviert.

Um was haben Sie sich denn gekümmert?

Mir liegt sehr viel daran, dass der Insight ein Erfolg wird. Deswegen habe ich bei diesem Auto dem Entwicklungsteam viele Ratschläge gegeben und viele Vorschläge gemacht. Nichts Spezielles, sondern eher allgemeiner Natur.

Sie verfolgen ja auch große Ziele mit diesem Auto.

Und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass der Wagen ein Erfolg wird. Obwohl wir bereits ein Absatzziel von weltweit 200 000 Exemplaren ausgegeben haben, erwarte ich mit Blick auf die gegenwärtige Entwicklung der Spritpreise sogar eher, dass die Nachfrage noch darüber liegen wird.

Für Kritiker ist der Insight nur ein weiteres Hybrid-Auto, das auch noch nicht einmal weniger verbraucht als das Vorgängermodell. Was sagen Sie dazu?

Wirtschaftlichkeit ist die totale Balance von Spritverbrauch und Preis. Der erste Insight verbrauchte zwar extrem wenig, war aber ein zweisitziges Coupé aus Aluminium, was ihn sehr teuer gemacht hat. Der neue Insight wiederum ist ein fünftüriger, praktischer Kompaktwagen mit markantem Design, dessen Preis noch unter unserem Civic Hybrid liegen wird.

Experten haben den Insight schon als Volkshybriden bezeichnet. Man vermutet, dass er um die 20000 Dollar kosten wird. Wird er damit nicht immer noch zu teuer sein, um ein zweiter VW Käfer zu werden?

Den Preis werden wir erst bekannt geben, wenn wir das endgültige Serienmodell vorstellen werden. Nichtsdestotrotz, kann der neue Insight schon als Volkshybrid bezeichnet werden, aber ich sehe ihn nicht als Nachfolger des VW Käfer.

Wenn heute von einem umweltfreundlichen Fahrzeug die Rede ist, fällt stets der Name Toyota, obwohl Honda in den USA das erste Hybridauto verkauft hat. Ärgert Sie das?

Natürlich ist es nicht erfreulich, dass sich der Prius von Toyota besser verkauft als unsere Modelle. Aber wir sind von den hohen Ölpreisen überrascht worden. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die so schnell steigen würden. Das hat dazu geführt, dass die Leute bereit sind, vergleichsweise teure Hybrid-Autos zu kaufen. Unsere Hybrid-Wagen der ersten Generationen waren noch nicht dazu gedacht, sie im großen Stil zu verkaufen. Das wird sich nun ändern.

Herr Fukui, Vorstände anderer Unternehmen sitzen in ihrem eigenen großen Büro. Sie haben nur einen kleinen Schreibtisch in einem Großraumbüro mit all Ihren Vorstandskollegen. Beneiden Sie da manchmal die Bosse anderer Konzerne?

Ich habe keinen Ehrgeiz, so etwas zu erreichen, obwohl das selbst in Japan viele Unternehmen nicht so handhaben wie wir. Der Unterschied ist, dass das bei Honda schon immer so gemacht wurde. Alle Vorstände teilen sich ein Büro, haben die gleichen Schreibtische. Es ist Teil der Unternehmenskultur. Alles ist transparent, das fördert auch die Kommunikation.

Angeblich verdienen Sie und Ihre 36 Vorstandskollegen zusammen 13 Millionen Dollar im Jahr. Mancher deutsche Manager verdient allein mehr als 50 Millionen Euro. Ist das zu viel?

Zu den Gehältern in Deutschland kann ich nichts sagen. Bei uns ist der Unterschied zwischen dem Gehalt einer Führungskraft und dem, was wir einem Hochschulabsolventen zahlen, tatsächlich nicht so groß. Das ist ebenfalls Teil unserer Firmenkultur. Ich verfolge aufmerksam, wie sich die Vorstandsgehälter generell entwickeln. Und ich finde: Unsere sind hoch genug. Wenn man es dagegen in Europa oder in den USA erst einmal zum Präsidenten oder Vize-Präsidenten eines Unternehmens geschafft hat, gehen die Gehälter wirklich durch die Decke.

Stimmt es eigentlich, dass bei Honda jeder Ingenieur einmal in einer Rennsportabteilung gearbeitet haben muss?

Leider nicht. Vor 40 Jahren ähnelte Honda wirklich mehr einem Rennstall, der nebenbei auch noch ein paar Autos verkaufte. Die meisten Angestellten hatten mit dem Rennsport mehr oder minder direkt zu tun. Wenn es nach mir ginge, würde jeder unserer Ingenieure eine Rennabteilung durchlaufen, um dort Erfahrungen zu sammeln und diese in unsere Serienmodelle einfließen zu lassen.

Sie selbst haben früher in einer Rennsportabteilung bei Honda gearbeitet. Sind Sie auch Rennen gefahren?

Ich bin Bergrennen gefahren.

Dabei hatten Sie ursprünglich ein anderes Berufsfeld im Blick, Sie haben Chemie studiert. Was hat Sie am Leben auf der Überholspur gereizt?

Als ich 18 war, dachte ich nicht im Traum daran, für einen Autohersteller zu arbeiten. Ich wollte mich viel lieber mit Chemie beschäftigen und den Nobelpreis gewinnen (lacht). An der Universität stellte ich schnell fest, dass ich nicht dieser Forschertyp bin, der den ganzen Tag in einem Labor hockt und seine Nase in Bücher steckt. Als ich dann erstmals Rallyes fuhr, wurde mein Interesse für Autos geweckt. In meiner Abschlussarbeit beschäftigte ich mich bereits mit Autos: mit Fahrzeugabgasen. Bei Honda arbeitete ich weiter an diesem Thema. Das ist auch der Grund, warum mir heute die Reduzierung von CO2 am Herzen liegt.

Die japanische Rallye-Legende Nobuhiro Tajima hat uns vergangenen Sommer erzählt...

...Nobuhiro Tajima? Ich kenne ihn gut.

Nun, er hat uns gesagt, dass er Rallye fährt, weil er es liebt, mit Höchstgeschwindigkeit auf Schotter durch eine schnelle Kurve zu schlittern, dass es eigentlich nichts Schöneres gibt. Können Sie das nachvollziehen?

Wenn ich sehe, wie Rallye-Fahrer über eine Schotterpiste oder über eine verschneite Straße kurven, ist das faszinierend. Aber ich habe mit Ende 20 aufgehört, Rennen zu fahren. Das ist auch der Grund, warum ich heute noch am Leben bin.

Steigen Sie ab und zu mal in einen Formel-1-Wagen oder auf ein Rennmotorrad, nur so zum Spaß?

Gelegentlich fahre ich noch auf Rallye-Kursen. Aber glauben Sie mir: Ich bin ein sicherer Fahrer.

Haben Sie je ein Rennen gewonnen?

Fast. Bei einem Eisrennen, an dem ich mit Mitte 20 am Berg Akagi teilnahm, wurde ich Zweiter. Dort gibt es einen See, der im Winter zufriert - und dann als Rennkurs benutzt wird. Das Ganze fühlt sich an wie eine Schlittschuhbahn. Das Rennen selbst läuft wie eine echte Rallye ab: Nacheinander fahren die Autos über die Piste, im Wettlauf um die beste Zeit.

Ist es Ihnen wichtig, auf den vorderen Plätzen mit dabei zu sein?

Wichtig ist, dass einem etwas einfällt. Denn entscheidend waren damals die Reifen. In bestimmten Rennklassen konnte man nur mit Reifen gewinnen, die über Spikes verfügten. Für die hatte ich kein Geld. Also fuhr ich bei einem Rennen mit, bei dem die Autos nur mit Schneeketten ausgerüstet waren. Ich habe dann mit ein paar kreativen Einfällen meine Ketten modifiziert, was ganz gut geholfen hat.

Schauen Sie sich denn die Rennen Ihrer Rennställe in der Formel 1 oder in der Moto GP an?

Ich liebe jeden Motorsport. Und wenn Moto GP und Formel-1-Rennen zeitgleich stattfinden, schaue ich mir das eine oder andere halt nicht an der Rennstrecke, sondern später im Fernsehen an.

Honda belegt in der Formel 1 derzeit den vorletzten Platz in der Gesamtwertung.

Was unseren Rennstall angeht, gilt: Wir müssen erst mal wieder Leistungen erzielen, die es auch wert sind, angesehen zu werden.


Interview: Florian Brückner

Preludegreen

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Sonntag, 19. Oktober 2008, 14:05

RE: Interview mit dem Honda-Chef

Zitat

Original von HondaCruiser
Stimmt es eigentlich, dass bei Honda jeder Ingenieur einmal in einer Rennsportabteilung gearbeitet haben muss?

Leider nicht. Vor 40 Jahren ähnelte Honda wirklich mehr einem Rennstall, der nebenbei auch noch ein paar Autos verkaufte. Die meisten Angestellten hatten mit dem Rennsport mehr oder minder direkt zu tun. Wenn es nach mir ginge, würde jeder unserer Ingenieure eine Rennabteilung durchlaufen, um dort Erfahrungen zu sammeln und diese in unsere Serienmodelle einfließen zu lassen.


Tja, würde man sich wieder mehr vom Rennsport inspirieren lassen, hätte man der Welt solche "Glanzleistungen" wie den neuen (euro) Civic ersparen können!

Zitat

Original von HondaCruiser
Was unseren Rennstall angeht, gilt: Wir müssen erst mal wieder Leistungen erzielen, die es auch wert sind, angesehen zu werden.


Ein Mann mit Weitblick und einer Ehrlichkeit die es leider heutzutage nicht mehr oft gibt...
Wenn "hätte ich" kommt ist "hab ich" weg!

Hong

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Mein Auto: Honda :-)

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Montag, 20. Oktober 2008, 14:52

Von einmal durchlesen muss ich sagen, dass er auf alle Fragen gute Antworten gegeben hat.

Schoen diplomatisch :)